Am 20. Mai 2025 fand der bereits dritte Vortrag in der ZLB-Vortragsreihe Bildung für Toleranz statt. Dr. Anton Hieke von der Alten Synagoge Essen referierte über das Thema „Judentum und Vielfalt im schulischen Alltag“. Eingeladen hatte das Zentrum für Lehrkräftebildung (ZLB) der UDE. Moderation: Dr. Anja Pitton, Geschäftsführerin des ZLB.

Das Judentum werde häufig initial als Erfahrung der Verfolgung und des Leids beschrieben. Unterricht über jüdische Geschichte behandle entsprechend vorrangig Verfolgung, Pogrome und die Shoa und lasse viele Aspekte jüdischen Lebens unbeachtet. Ein Dilemma, dass Anton Hieke darin begründet sieht, dass jüdische Gemeinden eine Zuschreibung als Stellvertreterinnen jüdischer Geschichte, definiert über die Shoa und Facetten des Antisemitismus, erführen. Jüdisches Leben und Kultur seien über Jahrhunderte ein fester Bestandteil unserer Gesellschaft und hätten diese vielfältig geprägt.  Jüdische Traditionen seien somit auch immer ein wichtiges Element einer gesamtgesellschaftlichen Identität.

Gleichgewicht schaffen

In Abgrenzung von der sogenannten „Schlussstrich-Debatte“ betonte Anton Hieke die Bedeutsamkeit der Darstellung eines Gleichgewichts zwischen Erinnerungskultur und modernem jüdischen Leben in der vielfältigen Gesellschaft.  Er machte kreative Vorschläge, wie Lehrkräfte Schüler*innen die Elemente der lebendigen jüdischen Tradition im Alltag und mit regionalem Bezug näherbringen können. Unterricht sollte aktuell, positiv, authentisch sowie entdeckerisch sein und möglichst alle Sinne ansprechen. Gute Präventionsarbeit setze bereits in der frühkindlichen Bildung einer vielfältigen Gesellschaft an.

Er beendete seinen Vortrag mit der Vorstellung von Projekten der Alten Synagoge Essen wie der Ausstellung über Dore Jacobs, den Queer Jewish Days oder den Jüdischen Literaturtagen und lud die Anwesenden zu einem Besuch und zum Mitmachen ein.

Im Anschluss fand eine Diskussions- und Fragerunde statt. Ein Lehramtsstudierender sagt zum Abschluss: „Der Vortrag von Herrn Dr. Hieke bietet einen spannenden Blickwinkel auf das Judentum nicht nur als Religion, sondern auch als Tradition, Lebensweise und Kultur, während in der Schule und Lehre häufig ausschließlich die Verfolgung und Ermordung der Juden in Europa behandelt wird. Es werden Möglichkeiten aufgezeigt, wie für Menschen aller Altersgruppen ein lebendiger Zugang zum Judentum als Teil einer diversen, offenen Gesellschaft geschaffen werden kann“.

Bilder der Mai-Vorträge

Hintergrundinformation zur ZLB-Vortragsreihe Bildung für Toleranz

Im Mai 2025 jährt sich das Ende des Zweiten Weltkriegs zum 80. Mal. Die aktuellen politischen Debatten und der „Rechtsruck“, insbesondere der jungen Wählerschaft, befördern vor diesem Hintergrund auch die Auseinandersetzung mit Themen wie Extremismus, Antisemitismus und antimuslimischem Rassismus. Das teilweise junge Alter der Akteur*innen verdeutlicht, wie wichtig die Rolle der Schulen als ein zentraler Ort ist, um antidemokratischen Tendenzen präventiv zu begegnen. Für die Aufgabe, diskursive Präventionsarbeit an Schulen zu leisten, müssen angehende Lehrkräfte sensibilisiert und mit den notwendigen didaktischen und ethischen Handlungskompetenzen ausgestattet werden.

DiversiTeach bietet in Kooperation mit dem Basic und Advanced Training – beides Projekte des ZLB – rund um den 80. Jahrestag des Kriegsendes die neue Vortragsreihe Bildung für Toleranz an, die mit dem Vortrag von Dr. Anton Hieke fortgesetzt wurde.

Zur Person:

Dr. Anton Hieke studierte Geschichte, Anglistik, Amerikanistik und Judaistik/ Jüdische Studien an der Martin-Luther- Universität Halle-Wittenberg. Er war Bibliotheksleiter der Stiftung Leucorea in Wittenberg, Lehrbeauftragter in Halle und Merseburg (Judaistik/Jüdische Studien, Anglistik-Amerikanistik, Sprachenzentrum Englisch und Deutsch als Fremdsprache) und zwei Jahre als Lehrkraft in Wittenberg tätig. Aktuell arbeite er in der Alten Synagoge in Essen und verantworte die Bereiche Entwicklung wissenschaftlicher Projekte und Bildungsarbeit.