Wenn Lehrerbildung ein lebenslanger Prozess der Professionsentwicklung ist, dann ist in der universitären Phase das Praxissemester ein Meilenstein auf diesem Weg. Der Erwerb professionsbezogener Kompetenzen gelingt dann, wenn die Ausbildung an allen drei Lernorten aufeinander abgestimmt ist. Das erfordert Kommunikation und Vernetzung der drei Lernorte. Diese weiter voranzutreiben war ein Ziel der Facharbeitsgruppentagung (FARG) zu Austausch und Vernetzung im Praxissemester, die am 18. Februar am Campus Essen der UDE stattfand.
Unter dem Thema „voneinander wissen – miteinander kommunizieren – gemeinsam weiterentwickeln“ wurde die Veranstaltung im Rahmen der Kooperation der lehrerbildenden Fakultäten, des ZLB, der Zentren für schulpraktische Lehrerausbildung (ZfsL) und der Schulen der Ausbildungsregion der UDE ausgerichtet.
Input von Akteur/-innen
Professorin Dr. Isabell van Ackeren, Prorektorin für Studium und Lehre an der UDE, eröffnete die Tagung im Glaspavillon am Campus Essen mit einem Grußwort. Bevor dann die eigentlichen Facharbeitsphasen begannen, erhielten die Teilnehmenden noch einigen Input von verschiedenen Akteur/-innen, die mit dem Praxissemester zu tun haben, in Form von kurzen Podiumsgesprächen.
Den Anfang machten Professor Dr. Stefan Rumann, wissenschaftlicher Leiter des ZLB und Leiter des Instituts für Sachunterricht, und Ralf Jupe, leitender Direktor des ZfsL Essen und Sprecher der ZfsL der Ausbildungsregion. Myrle Dziak-Mahler, Geschäftsführerin des Zentrums für LehrerInnenbildung der Universität zu Köln moderierte die Veranstaltung und bat Herrn Rumann und Herrn Jupe um ihre Einschätzung darüber, was Studierende im Praxissemester am jeweiligen Lernort erleben.
Herr Jupe sprach von einer begleiteten, professionellen Selbsterfahrung und ergänzte: „Wir als ZfsL bieten den Studierenden Service, keine Kontrolle.“ Herr Rumann hob hervor, dass die Studierenden zum Zeitpunkt des Praxissemesters bereits mit notwendigen Skills und theoretischen Grundlagen ausgestattet seien und häufig den Wunsch nach tatsächlicher Praxis hätten, anstatt nach weiteren theoretischen Grundlagen durch die Begleitseminare. „Sie haben dann das Gefühl, jetzt im Praxissemester geht es endlich richtig los.“
Diese Einschätzung bestätigte die Teilnehmerin Frau Pennig, Lehrerin an einer Grundschule in Duisburg, die sich aus dem Plenum zu Wort meldete: „Das Praxissemester ist für die Studierenden eine Gelegenheit, alles auszuprobieren, was sie gelernt haben, und zu schauen, ob sie schaffen können, was sie sich vorgenommen haben.“
Studierende reflektieren Praxissemester
Um auch die Perspektive der Betroffenen zu Wort kommen zu lassen, reflektierten anschließend drei Lehramtsstudierende der UDE, die das Praxissemester bereits absolviert haben, ihre Erfahrungen. Frau Albing bestätigte die Einschätzung Herrn Jupes, wonach das ZfsL eine „begleitete Selbsterfahrung“ anböte. „Die Fachleiter/-innen konnten uns aus dem Schulalltag heraus anders begleiten an die Dozierenden an der Universität, weil sie eine ganz andere Art von Wissen mitbrachten“, so die Studentin.
Frau Bennighoff erlebte während ihres Praxissemesters in der Schule „grundsätzlich aufgeschlossene, kommunikative und humorvolle Lehrer/-innen“. Sie habe einen breiten Einblick in den Schulalltag erhalten und habe z. B. an Elterngesprächen teilnehmen dürfen. Aber: „An der einen oder anderen Stelle wurden die Studierenden schon allein gelassen. Es wurde seitens der Schule manchmal eine Spontaneität und Flexibilität gefordert, die wir überhaupt noch nicht haben konnten.“
Ihre Einschätzung: Für die Lehrer/-innen seien die Studierenden eine Art „Zwittergestalt“, sie wüssten häufig gar nicht, in welcher Rolle die Studierenden im Praxissemester eigentlich da seien. Zwei weitere Punkte lagen der Studentin außerdem am Herzen. Zum einen werde an allen Lernorten immer wieder besprochen, wie guter Unterricht aussehe. Das sei zu viel, so ihre Meinung, sie wünsche sich eine Klärung der Zuständigkeiten, um Doppelungen in der Ausbildung zu vermeiden. Und: „Das ZfsL in Kleve ist einfach zu weit weg. Das ist eine große Belastung für die Studierenden, wenn man mit der Bahn dorthin fahren muss.“
Herr Franz attestierte der Universität „einen guten Job in der Vorbereitung und Begleitung der Studierenden im Praxissemester“. Die Uni mache deutlich, dass die Studierenden eben noch keine fertig ausgebildeten Lehrkräfte seien. Das vorbereitende Seminar der Bildungswissenschaften und die Begleitung zur Verfeinerung der Studienprojekte sei sehr angenehm. Die Anforderungen in den Fächern seien aber sehr unterschiedlich. „Die Veranstaltungen müssten besser genutzt werden. An der Schule erlebt man neue Erfahrungen und so sollte es an der Uni auch sein“, so der Lehramtsstudent.
Alle drei Studierenden wünschten sich bessere Absprachen in den ZfsL, mehr Wertschätzung und ein stärkeres Ernstnehmen der Studierenden, einen besseren Spagat zwischen Theorie und Praxis und eine Vereinheitlichung der Anforderungen der Uni bei der Betreuung der Studienprojekte, mit dem Fokus eher auf der praktischen Arbeit in der Schule als auf der akademischen Theorie.
Zwei Facharbeitsphasen
Im Anschluss wurde mit dem Fach Sozialwissenschaften ein Beispiel für gelungene Vernetzung der Lernorte im Praxissemester vorgestellt. Die CIVES School der UDE leistet hierbei sowohl personelle als auch finanzielle Unterstützung. Dr. Dennis Neumann (UDE) betonte, dass man im Austausch verschiedene Perspektiven kennenlernen und weiterentwickeln könne. „Das ist eine lehrreiche und konstruktive Erfahrung.“ Das Fazit dieser Kooperation: Man muss sich organisieren, was nicht immer einfach ist. Doch die Vorteile überwiegen.
Danach folgten zwei intensive Facharbeitsphasen, in denen die Teilnehmenden jeweils mit den Vertreter/-innen ihrer jeweiligen Fächer vorgegebene Leitfragen diskutierten. Dann arbeiteten sie jeweils Impulse heraus, die sie aus den Ergebnissen für die Zukunft mitnehmen konnten. In einer zweiten Plenumssitzung wurden die Ergebnisse schließlich zusammengefasst vorgestellt. Identifiziert wurden vor allem drei Themenfelder: Austausch und Vernetzung, schulische Bedürfnisse und Ausbildungsbeauftragte (ABB)/schulische Mentor/-innen.
In Bezug auf Austausch und Vernetzung schlug Herr Rumann vor, den fünf Jahre alten „Leitfaden für die Fachverbundenheit in der Ausbildungsregion der UDE“ wieder nach vorne zu holen, anzuschauen und zu prüfen. Herr Jupe warf die Frage auf, ob es sich um ein systemisches Problem handle. Er plädierte dafür, sich immer wieder Sicherheit in der Zusammenarbeit mit wechselnden Akteuren zu holen, wie es beispielsweise bei den Sozialwissenschaften bereits praktiziert werde. Routinen begännen jetzt erst, sich zu entwickeln, weswegen es schwierig sei, die Zusammenarbeit zu strukturieren und zu etablieren. Es müsse aber eine inhaltliche Zielsetzung dafür erfolgen. Herr Rumann bot Unterstützung bei der Schaffung von Räumen und Strukturen.
Schulische Bedürfnisse
Das Themenfeld „Schulische Bedürfnisse“ konzentrierte sich vor allem auf die Studienprojekte und die Frage, wie diese für die Schulen attraktiver werden können. Herr Rumann erinnerte daran, dass erst vor kurzem die Zahl der Studienprojekte von drei auf zwei beschlossen wurde und sagte: „Es kann sein, dass sich die dadurch verbesserte Betreuung der Studierenden erst perspektivisch in den Schulen niederschlägt.“ Er kündigte an, dass das Thema in der Ständigen Arbeitsgruppe Lehrerbildung noch einmal besprochen werden solle.
Auch aus dem Plenum kamen zu dem Thema einige Anmerkungen. So fand Professorin Dr. Nanna Lüth, Vertretungsprofessur Kunstdidaktik an der UDE, Studierende bräuchten Freiräume, um eigene Fragen zu entwickeln. Auf diesem Prozess müsse die Universität begleiten. Eine Schulvertreterin plädierte dafür, dass die Studierenden zunächst einmal Zeit haben sollten, sich die Schule, in der sie das Praktikum absolvieren, genau anzuschauen, bevor sie ein Thema für die Studienprojekte aussuchen. Die Dozierenden sollten Studierende nicht in Projekte drängen. Herr Rumann warf dazu ein, dass es aber auch Gegenbeispiele gebe, in denen die Studierenden Orientierungslosigkeit und Schwierigkeiten bei der Themenfindung beklagten und mehr Betreuung oder Rahmung einfordern würden. Auch dieser Punkt soll nun noch einmal in der Ständigen AG Lehrerbildung thematisiert werden.
Kontakt mit ABB
Im dritten Themenfeld stand die Frage im Fokus, wie die Zusammenarbeit mit den ABB an den Schulen funktioniert. Herr Jupe erklärte dazu, dass die Praxissemesterbeauftragten in den ZfsL Kontakt mit den ABB pflegen und Angebote machen. „Die Schulen entscheiden aber selbst, wie sie die Funktion der ABB gestalten.“ Die Universität könne und solle sich gerne miteinbringen, damit nicht dem ZfsL allein die Mittlerrolle zufalle. Die Studierenden signalisierten häufig, dass sie sich die Anwesenheit von Vertreter/-innen der Universität an den Schulen wünschen. Herr Rumann schlug vor, den Studierenden Kurzinfos über das Praxissemester und die Aufgabenverteilung mit in die Schule zu geben. Außerdem solle darüber nachgedacht werden, dem Beispiel Kölns zu folgen und eine Tagung mit den ABB der Ausbildungsregion zu veranstalten.
Zuletzt beendete Herr Rumann die äußerst erfolgreich verlaufene Veranstaltung mit einem kurzen Schlusswort und einem positiven Fazit. Dass Vertreter/-innen aller drei Lernorte so zahlreich erschienen seien, habe zu einem konstruktiven Austausch geführt.