Prof. Dr. Hendrik Härtig begeisterte am geschichtsträchtigen 17. Juni 2025 rund 30 Lehramtsstudierende, Lehrende und Mitarbeitende der Universität Duisburg-Essen (UDE) mit seinem spannenden Vortrag „Wie neutral kann (Physik)Unterricht in unserer Demokratie sein?“. Eingeladen hatte das Zentrum für Lehrkräftebildung (ZLB) der UDE. Moderation: Dilek Gürsoy-Posse, Mitorganisatorin der Veranstaltungsreihe.

Am 72. Jahrestag des Volksaufstandes in der DDR stellte Herr Härtig zwei Ansatzpunkte in den Fokus seines Vortrags: Zunächst sei Physik aus Sicht der Lernenden ein Unterrichtsfach neben anderen Fächern in der Schule. Aus Sicht der Gesellschaft und der Bildungspolitik hat Schule neben der fachbezogenen Kompetenzvermittlung aber auch übergeordnete Funktionen, wie die Vermittlung von Methoden- oder Medienkompetenz. In diesem Rahmen zeigte Herr Härtig praxisnah, dass und wie der Physikunterricht zu politischer Bildung beitragen kann.

Physik und Politik

Zudem sei die Geschichte der Wissenschaft im Allgemeinen, aber auch die Wissenschaft Physik im Speziellen eng mit politischer Geschichte verbunden. Bereits in der Antike seien die Naturwissenschaften zum Machterhalt genutzt worden, aber auch in der Neuzeit spielten Wissenschaften eine zentrale Rolle für die Durchsetzung politischer Ziele. Vor allem während der beiden Weltkriege lasse sich eine Zunahme der politischen Förderung für naturwissenschaftliche Forschung beobachten, die dann zumeist dem Erreichen der Kriegsziele des jeweiligen Landes diente.

Als Beispiel nannte Herr Härtig hier den theoretischen Physiker J. Robert Oppenheimer, der durch seine federführende Mitarbeit am „Manhattan Projekt“ während des Zweiten Weltkriegs einen großen Anteil an der Entwicklung der Atombombe hatte. Bezogen auf Schule lasse sich ebenfalls zeigen, dass dem naturwissenschaftlichen Unterricht in Kriegszeiten eine größere Rolle zukam: So wurde beispielsweise während der NS-Zeit in deutschen Schulen das Fach „Wehrphysik“ unterrichtet, oder auch die gegen Albert Einstein gerichtete „Deutsche Physik“.

Das Bildungssystem ist politisch

Beide Ansatzpunkte wurden im Vortrag zusammengeführt und die Leitfrage des Vortragstitels beantwortet: Das Bildungssystem sei politisch in Struktur, Inhalten und dem Ergebnis. Naturwissenschaften seien – auch wenn sie häufig als exakte und berechenbare Wissenschaften gelten – keinesfalls politisch neutral. Lehrkräfte bewegten sich somit in einem politischen Rahmen, der in Deutschland durch vielfältige Disparitäten geprägt sei.

Nach dem Vortrag blieb ausreichend Zeit für Fragen an Herrn Härtig, was in einem lebhaften Austausch mündete. „Besonders gut gefallen hat mir die Diskussion der politischen Dimension des Physikunterrichts, die im Lehramtsstudium leider kaum vorkommt“, sagte ein Lehramtsstudierender nach der Veranstaltung.

Hintergrundinformation zur ZLB-Vortragsreihe Bildung für Toleranz

Im Mai 2025 jährt sich das Ende des Zweiten Weltkriegs zum 80. Mal. Die aktuellen politischen Debatten und der „Rechtsruck“, insbesondere der jungen Wählerschaft, befördern vor diesem Hintergrund auch die Auseinandersetzung mit Themen wie Extremismus, Antisemitismus und antimuslimischem Rassismus. Das teilweise junge Alter der Akteur*innen verdeutlicht, wie wichtig die Rolle der Schulen als ein zentraler Ort ist, um antidemokratischen Tendenzen präventiv zu begegnen. Für die Aufgabe, diskursive Präventionsarbeit an Schulen zu leisten, müssen angehende Lehrkräfte sensibilisiert und mit den notwendigen didaktischen und ethischen Handlungskompetenzen ausgestattet werden.

Vor diesem Hintergrund bietet DiversiTeach in Kooperation mit dem Basic und Advanced Training – beides Projekte des ZLB – rund um den 80. Jahrestag des Kriegsendes die neue Vortragsreihe Bildung für Toleranz an, die mit dem Vortrag von Karim Fereidooni gestartet ist.

Zur Person:

Prof. Dr. Hendrik Härtig ist seit 2016 Professor für Didaktik der Physik an der Universität Duisburg-Essen (UDE). Davor war er Juniorprofessor am IPN (Leibniz-Institut für die Didaktik der Naturwissenschaften und Mathematik) in Kiel und 4 Jahre an der Humboldt-Schule in Kiel tätig. Er ist Diplom-Physiker und hat sein Lehramtsstudium der Fächer Physik, Erziehungswissenschaften und Sozialwissenschaften mit dem 1. Staatsexamen abgeschlossen. Er ist Vorsitzender des Instituts für wissenschaftliche Schlüsselkompetenzen (IwiS) und Mitglied des Senats der UDE.